8. Juni 2022
Was tun gegen Produktpiraterie?
Rund 6,4 Milliarden Euro hat der deutsche Maschinenbau im Vorjahr durch Produktpiraterie verloren. Und das ist bereits eine Verbesserung. Doch die Unternehmen können sich wehren.
Die Zahlen waren schon einmal schlimmer. Wirklich erfreulich sind sie nach wie vor nicht. Zwischen 2010 und 2020 waren es pro Jahr mehr als sieben Milliarden Euro, die Maschinen- und Anlagenbauer alleine in Deutschland infolge Produktpiraterie verloren.
Dass dieser Wert im Vorjahr gesunken ist, dürfte auf verstärkte Maßnahmen der Industrie zurückzuführen sein – denn weniger aktiv sind die Plagiatoren definitiv nicht.
Die Gegenwehr nimmt zu
Laut der aktuellen Studie „Produktpiraterie 2022“ des Maschinenbau-Verbandes VDMA lag der durch Plagiatoren angerichtete Schaden also um 1,2 Milliarden Euro niedriger als der zuletzt im Jahr 2020 ermittelte Wert. „Das ist zwar immer noch eine enorme Summe, die im Maschinen- und Anlagenbau umgerechnet knapp 29.000 Arbeitsplätze bedeuten würde. Aber wir sehen eine deutliche Zunahme von Maßnahmen, die nach Entdeckung eines Plagiatsfalls eingeleitet werden und das scheint sich auszuzahlen", kommentiert Steffen Zimmermann, Leiter des VDMA Competence Center Industrial Security.
Massive Gefahr für die Sicherheit
Alle zwei Jahre befragt der VDMA seine Mitgliedsfirmen zu den Bedrohungen und Auswirkungen von Fälschungen. In der aktuellen Studie, die vom Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC im Auftrag des VDMA erstellt wurde, gaben 72 Prozent (2020: 74 Prozent) der befragten Unternehmen an, von Produktpiraterie betroffen zu sein.
„Weltmeister“ in dieser Disziplin ist nach wie vor China. Indien ist in der Studie erstmals auf Platz zwei vorgerückt, gefolgt von Deutschland selbst.
Steffen Zimmermann betont, dass das Thema über den wirtschaftlichen Schaden weit hinausgeht: „Die Bedrohung, die von Fälschungen ausgeht, ist gewaltig: Plagiate stellen nachweisbar ein Sicherheitsrisiko dar. 41 Prozent der Unternehmen berichten von Fälschungen, die eine Gefahr für Bediener oder Anwender mit sich bringen. Mehr als die Hälfte der Befragten sehen bei den von ihnen entdeckten Plagiaten eine Gefahr für den sicheren Betrieb der Anlage.“
Meist ist es der Mitbewerber
Die Auftraggeber der Plagiate sind laut der Studie in erster Linie direkte Wettbewerber. Aber auch Geschäftspartner und Kunden sowie Zulieferer oder Joint-Venture-Partner werden als Ausgangspunkt von Fälschungen gesehen.
Deutlich zugenommen hat offenbar der Anteil professioneller Großplagiatoren. Einen deutlichen Zuwachs verzeichnen inzwischen professioneller Großplagiatoren, die von 30 Prozent der befragten Unternehmen genannt wurden. Am häufigsten werden dabei einzelne Teile oder das äußere Erscheinungsbild bzw. Design gefälscht. Seltener kommen so genannte „weiche“ Plagiate vor (Kataloge, Broschüren, Produktfotos), die einen Rückgang um 9 Prozentpunkte auf 29 Prozent verzeichnen. Erstmalig gefragt wurde nach Plagiaten von Websites und Online-Shops, von denen jedes fünfte Unternehmen betroffen ist.
Außergerichtliche Maßnahmen nehmen zu
Zugenommen hat laut der Studie aber auch die Bereitschaft zur Gegenwehr: In den vergangenen beiden Jahren gab es bei den eingeleiteten Maßnahmen einen deutlichen Zuwachs in allen Kategorien, sodass nur noch in einem von drei Fällen die Entdeckung eines Plagiats folgenlos blieb. Der deutlichste absolute Zuwachs um 20 Prozentpunkte ist bei außergerichtlichen Maßnahmen zu verzeichnen, die dieses Jahr in 58 Prozent der Fälle erstmalig häufiger als bei jedem zweiten entdeckten Plagiat eingeleitet wurden.
Vor allem große Unternehmen wehren sich
Aufholbedarf haben dabei vor allem kleinere Unternehmen. Steffen Zimmermann: „Während Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden nur in einem von sieben Fällen keine Maßnahmen einleiten, ist dies bei kleinen und mittleren Unternehmen in rund einem von zwei Fällen der Fall.“ Neben der Tatsache, dass Plagiatoren oder Vertriebswege nicht immer zweifelsfrei identifiziert werden können, kann für betroffene Unternehmen eine rigorose Verfolgung von Plagiaten auch unwirtschaftlich oder nicht mit angemessenem Aufwand umsetzbar sein.
Besonders deutlich zeigt sich dieser Trend bei zivilgerichtlichem Vorgehen. Während mehr als jedes zweite Großunternehmen nach Plagiatsentdeckung ein Verfahren einleitete, ist dies nur bei jedem siebten kleinen und mittleren Unternehmen der Fall. „Wir empfehlen den Unternehmen daher, zuerst ein außergerichtliches Vorgehen zu prüfen, beispielsweise Anwaltsschreiben, persönliche Gespräche oder Aufklärungsmaßnahmen beim Kunden. Erfahrungsgemäß stellt sich danach eine erste Besserung ein, da viele Plagiatoren unerkannt agieren und nicht öffentlich genannt werden wollen."