8. Juni 2022

Wie nachhaltig ist Österreichs Industrie?

Diskussion zur Eröffnung der Intertool 2022: Wo stehen wir beim Thema Nachhaltigkeit? Was ist noch möglich? Und ist das Mittelstands-Land Österreich im Vorteil?

Die Industrie steht unter Druck und unter Beobachtung: Wie nachhaltig ist sie tatsächlich? Welche Schritte unternimmt sie, um Ökonomie, Ökologie und Soziales unter einen nachhaltigen Hut zu bringen? Zum Auftakt der Intertool in Wels haben darüber drei hochkarätige Vertreter der heimischen Industrie unter Moderation von Marc Semmler diskutiert. Hier die wichtigsten Zitate aus der Diskussion.

Margarethe Traxler, Geschäftsleitung Boehlerit

„Ich bin davon überzeugt, dass ein Großteil der mittelständischen Unternehmen Nachhaltigkeit bereits lebt. Wir können uns gar nicht leisten, es nicht zu tun.“

„Nachhaltigkeit ist nicht nur Mülltrennung. Es ist ein ganzheitliches Konzept, das bei den Rohstoffen beginnt und bis zu den Arbeitsbedingungen reicht.“

„Nachholbedarf sehe ich vor allem bei den sozialen Themen, also den nicht monetär bewertbaren Aspekten.“

„Man verbindet in der Öffentlichkeit nach wie vor Umweltprobleme mit der Industrie. Aber in den letzten Jahrzehnten haben sich die Umweltstandards der Industrie permanent nach oben geschraubt. Gerade Mittelständler tun hier wirklich viel, aber sie sind in der Öffentlichkeit nicht präsent. Wir sind medial nicht gut vernetzt, daher fällt es nicht so ins Gewicht wie bei großen Unternehmen.“

„Greenwashing ist ein grandioses, aber ein durchschaubares Marketing-Mittel, es ist im Grunde genau das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit kann nur funktionieren, wenn sie authentisch ist, wenn man sie lebt.“

„Große Unternehmen haben natürlich ganz andere Ressourcen. Der große Vorteil von Mittelständlern ist aber die hohe Innovation und die hohe Flexibilität. Wir können viel schneller agieren, und wir planen viel langfristiger. Wir können also auch Ziele durchsetzen, die sich vielleicht erst in zehn oder 20 Jahren rechnen.“

„Bei ‚unangenehmen‘ Themen wie Nachhaltigkeit fehlt mir immer noch der Druck, hier ist die Politik gefordert, alle dazu zu bringen, wirklich gemeinsam mitzumachen.“

 

 

Stefan Hansch, CEO Emco

„Leider muss ich sagen, dass das Thema Nachhaltigkeit in Kundengesprächen zwar oft diskutiert wird – aber wenn es um das Thema Preis geht, wird oft nicht mehr darüber gesprochen. Hier bedarf es wirklich eines gesellschaftlichen Umdenkens.“

„Wir Klein- und Mittelständler sind ja von Haus aus zur Wirtschaftlichkeit gezwungen. Daher können wir die entsprechenden Mittel bereitstellen, um nachhaltig zu wirtschaften.“

„Es geht darum, die Bedürfnisse der Menschen zu erkennen. Wir sind gerade dabei, gemeinsam mit unserem Betriebsrat ein Vier-Tage-Arbeitsmodell zu erfinden. Mit Österreich als Pilotregion.“

„Für uns ist in diesem Zusammenhang die Digitalisierung ein entscheidendes Thema. Nicht nur im Erzeugen von Werkzeugmaschinen, sondern auch in der täglichen Praxis. Durch Corona haben die Unternehmen ja gewissermaßen eine Zwangs-Digitalisierung durchgemacht. Welche Möglichkeiten etwa durch den digitalen Zwilling entstehen, können wir heute noch gar nicht erahnen.“

„Bei der Förderlandschaft ist die Unterstützung seitens der Politik sehr gut. Wo die Politik noch einhaken muss, ist in meinen Augen, das Thema in den Köpfen der Menschen stärker zu verankern. Die Politik hat uns gut durch die Covid-Krise begleitet, aber jetzt geht es um das Mindset.“

 

 

Thilo Preß, Geschäftsführer Trumpf Österreich

„Unsere Antwort, Ökologie, Ökonomie und Soziales zu verbinden, suchen wir für unsere Kunden in der Smart Factory. Dort können wir Energie und Rohstoffe optimieren, zum anderen aber bessere Arbeitsbedingungen schaffen und damit auch das Thema Soziales angehen.“

„Dass wir immer nur über Ökologie sprechen, stört mich tatsächlich. Die Industrie steht oft am Pranger und wird am Rohstoff- und Energieverbrauch gemessen. Aber auch etwa die Langlebigkeit der Produkte hat erheblichen Impact auf die Nachhaltigkeit. Die Industrie hat immer wieder auf kurze Produktlebenszyklen gesetzt, und da müssen wir umdenken. Deshalb bieten wir im Service und im After Sales nachhaltige Konzepte an, um unsere Produkte über mindestens ein Jahrzehnt effektiv und effizient zu begleiten.“

„Wir sind ein Familienunternehmen, wir engagieren uns seit vielen Jahren für Soziales. Wir werden bis zu 80 Millionen in das Thema Klimawandel investieren. Wir tun wirklich viel, aber im Bereich Employer Branding gibt es Luft nach oben.“

„Ich wurde von Ausmaß des Fachkräftemangels in Österreich überrascht. Aber ein Mangel ist ja auch immer ein Anreiz, aus Mangel entstehen oft neue Ideen, und so müssen wir es betrachten. Da geht es auch um die Öffnung der Kulturen. Das kann auch über Technologie gelingen, die sprachunabhängig und augmented erklärt. Und wir werden Wirtschaft und Lehre besser zusammenrücken lassen. Die Hochschulen bilden aus unserer Sicht zu wenige Ingenieure für unsere Bereiche aus, hier müssen wir engagierter werden, uns attraktiver machen.“

„Neue Mitarbeiter zu finden, ist wichtig. Aber wir brauchen auch ein Umdenken beim Thema Halten von Mitarbeitern. Wir müssen unsere Mitarbeiter über verschiedene Lebenssituationen begleiten. Wir müssen Synergien finden zwischen mehr Flexibilität, die wir brauchen, und der Flexibilität, die der Mitarbeiter braucht.“

„Man muss langjährigen Mitarbeitern tatsächlich so etwas wie ‚Heimat‘ bieten. Vor allem aber müssen wir Job und Community verbinden. Arbeitsflexibilität und agile Strukturen werden immer wichtiger. „

„Ich möchte hier eine Lanze brechen für die österreichische Politik. Auch im Vergleich mit der deutschen, die ich gut kenne. Wir sind bereit, enorm zu investieren, aber was wir brauchen, das ist Planungssicherheit. Ich erlebe einen sehr offenen Dialog mit der Politik, also denke ich, dass das auch zu meistern ist.“